Projekt Streetwork in Verbindung mit der Glücksspirale

Die Idee

Im Zeichen der Menschlichkeit setzen wir uns für das Leben, die Gesundheit, das Wohlergehen, den Schutz, das friedliche Zusammenleben und die Würde aller Menschen ein. Alle Hilfebedürftigen haben den gleichen Anspruch auf Hilfe, ohne Ansehen der Nationalität, der Rasse, der Religion, des Geschlechts, der sozialen Stellung oder der politischen Überzeugung.

Wir können unseren Auftrag nur erfüllen, wenn wir Menschen für unsere Aufgaben gewinnen. Von ihnen wird unsere Arbeit getragen, nämlich von engagierten, fachlich und menschlich qualifizierten, ehrenamtlichen, aber auch von gleichermaßen hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, deren Verhältnis untereinander von Gleichwertigkeit und gegenseitigem Vertrauen gekennzeichnet ist. Aktuell liegt der Ausländeranteil in der Innenstadt von Schweinfurt bei ca. 30 %. Der Grund dafür ist die Erstaufnahmeeinrichtung, beziehungsweise seit dem 01.09.2018 ANKER-Einrichtung, in Schweinfurt. Leider spiegeln sich diese Zahlen nicht in der Mitarbeiterstruktur des Bayerischen Roten Kreuzes wieder. Wir wissen, wie wichtig es ist, dass die Bevölkerungsstruktur sich in der Mitarbeiterstruktur des Roten Kreuzes wiederspiegelt.

Zum einen, um zu zeigen, dass jeder Mensch helfen kann, jeder ein Teil der Gesellschaft ist, aber auch, um die Akzeptanz der Bevölkerung für gesellschaftliches Engagement zu stärken. Für die mitmachenden Menschen ist es die Möglichkeit Kontakte zu knüpfen und an Selbstbewusstsein zu gewinnen.

Gerade die Menschen aus arabischen Herkunftsländern sind die Zielgruppe, die wir ansprechen wollen. Zum einen ist diese Gruppe überdurchschnittlich stark in Schweinfurt vertreten, zum anderen sind viele seit 2015 in Deutschland. Sie sind mittlerweile auf der Suche nach mehr Integration und Kontakt. Helfen und Unterstützen ist vielen von ihnen sehr wichtig, aber das Prinzip von „Ehrenamt“ ist ihnen häufig unbekannt.

Mit dem Projekt eines Streetworkers haben wir die Möglichkeit niedrigschwellig Menschen für die Mitarbeit im Roten Kreuz zu erreichen. Das Projekt ist angebunden an unseren Rotkreuz-Laden in der Innenstadt. Dieser Laden bietet die Möglichkeit günstig gebrauchte Dinge einzukaufen. Vorrangig bieten wir an diesem Standort Kleidung und Haushaltskleinwaren an. Ein Nachweis der Bedürftigkeit wird in den Kleiderläden von unseren Kundinnen und Kunden nicht verlangt. Dies ist nur dann erforderlich, wenn der Kunde einen Nachlass über 50 % des ausgeschilderten Preises haben möchte. Sie sind ein Ort für alle. Wir haben diesen Laden als Ausgangspunkt für das Projekt aufgrund seiner Lage und der Bevölkerungsstruktur im Umkreis gewählt.

Ziele des Projektes sind eine persönliche Ansprache der Menschen, um ins Gespräch zu kommen und die Hemmschwelle zu senken. Die Menschen müssen keinen speziellen Ort aufsuchen und dort nachfragen, sondern wir kommen zu ihnen.

Die Projektjahre 2018 und 2019

Den Anfang machte im Januar ein Informationsstand im Rahmen der „Vierten Vesperkirche“ in Schweinfurt. Dies ist ein Projekt, das Menschen einen Ort der Begegnung ermöglicht. Die Menschen können gemeinsam essen und miteinander ins Gespräch kommen. Dort wurden Interessierte über unsere Arbeit informiert, Flyer ausgegeben und im persönlichen Gespräch Interessierte informiert. Im kalten Februar wurde Wärme verteilt: Eine Woche lang gab es einen Teeausschank vor und im Laden. Dieser lockte viele Interessierte Menschen an. Es gab Informationen zu den Betätigungsmöglichkeiten im Ehrenamt und auch erste Mitmacher. Zusätzlich wurden im Quartier Flyer in die Briefkästen eingeworfen. Diese Aktion wurde im März fortgesetzt. Diese "Haustür-Aktion" im Quartier bestand daran, dass großflächig Flyer in die Briefkästen geworfen wurden. Die Idee hinter dieser Flyer-Offensive war es, auch auf zukünftige Aktionen aufmerksam zu machen. Es war auch der Versuch eines Vergleiches zwischen der traditionellen Methode „Flyer einwerfen“ und dem Projekt „Streetworker“. Die Flyer-Aktion war kein Erfolg. Die persönliche Ansprache war und ist deutlich erfolgreicher als unkommentierte Flyer zu verteilen. Dies hat uns in unserer Projektidee nochmals bestärkt.

Weitere Höhepunkte waren die Besuche beim „Frauenfrühstück“. Dies ist ein Projekt, das sich an vorrangig an Migrantinnen richtet. Sie treffen sich dort um in entspannter Atmosphäre zu frühstücke und um sich auszutauschen. Schon beim ersten Besuch konnte eine junge Frau für das Ehrenamt geworben werden. Die Teilnehmerinnen des Frühstücks waren von der Idee, sich zu engagieren, sehr angetan. Auch Besuche in Kindergärten fanden statt, um den Eltern die ehrenamtliche Arbeit im Roten Kreuz vorzustellen. Im Juni sagte eine Mutter sogar spontan zu und ist seitdem Teil der BRK-Gemeinschaft in Schweinfurt. Im Rahmen des Projektes wurden auch Schulen im Quartier besucht, um die Eltern über die verschiedenen Möglichkeiten und Beteiligungsformen im Ehrenamt informiert. Als direkte Rückmeldung konnte ein Vater für die Mitarbeit im Rotkreuz-Laden gewonnen werden.

Eine wichtige Aktion war der jährlich stattfinde Rotkreuz-Flohmarkt in Schweinfurt. Weit über 500 Stände und tausende Besucher bereichern dieses wunderbare Event. Für uns die Gelegenheit mit vielen unterschiedlichen Menschen ins Gespräch zu kommen. Direkt vor Ort konnten zwei Frauen als Unterstützerinnen gewonnen werden.

Im Oktober war das Projekt am BRK-Stand auf der Unterfranken-Schau in Schweinfurt vertreten. Es gab sehr viele Interessierte die viele Fragen zum Ehrenamt gestellt haben. Da viele Besucher nicht direkt aus Schweinfurt sondern aus dem Umkreis kamen, konnte ein direktes Ergebnis nicht ermittelt werden. Aber der Zulauf am Stand war sehr groß und es wurden viele Flyer mitgenommen.

Natürlich war die Streetworkerin auch bei den Blutspende-Terminen mit vor Ort und hat in persönlichen Gesprächen über Ehrenamt im Roten Kreuz informiert. Beim "Tag der offenen Tür" im Roten Kreuz Schweinfurt im Mai war das Projekt präsent, indem Flyer verteilt und interessierte Personen angesprochen und informiert wurden.

Zielerreichung des Projekts

Unser oberstes Ziel des Projektes war es, die Diversität der Gesellschaft stärker auch in den Ehrenamtlichen zu zeigen. Schweinfurt ist pluralistisch, bunt und lebendig. Neue Sprachen und Kulturen beleben die Stadt und sollen Teil des Ehrenamtes werden. Dieses Ziel konnte definitiv erreicht werden. Mehrere Menschen mit Migrationshintergrund konnten für eine ehrenamtliche Tätigkeit gewonnen.

Weitere Ziele des Projektes waren, mehr Aufmerksamkeit für ehrenamtliche Tätigkeit zu erzielen. Dieses Ziel wurde über die Erwartungen hinaus erreicht.

„Werbung liegt viel im Briefkasten, für Gespräche nimmt sich keiner Zeit.“ So ähnlich bekam es die Streetworkerin fast täglich zu hören. Die Menschen möchten, dass man auf sie zugeht und sich Zeit nimmt. Flyer werden eher als Visitenkarten genutzt, das heißt, um die Kontaktdaten mitzunehmen und das neue Wissen als kompakte Info zum Nachlesen mitzunehmen. Aber Flyer sind zu passiv. Viele Menschen würden sich gern ehrenamtlich engagieren, aber wissen zum einen nicht wie und zum anderen nicht, welche Möglichkeiten es gibt. Dies kann nur in persönlichen Gesprächen vermittelt werden. Es gab sehr viele allgemeine Fragen zum Ehrenamt, die sich die Menschen nur getraut haben zu stellen, weil es ein persönliches Gespräch war.

Integration ist ein Ziel, dass für uns in jedem Arbeitsbereich präsent ist. Gerade beim „Frauenfrühstück“ und bei den Besuchen in den Kindergärten zeigte sich, dass es für viele wichtig ist, dass ehrenamtliches Engagement eine unkomplizierte Möglichkeit bietet, besser Deutsch zu lernen und neue Menschen kennenzulernen. Dies ist vor allem für Mütter mit Migrationshintergrund ein wichtiger Grund für den Wunsch ehrenamtlich zu arbeiten.

Herausforderung und Erkenntnisse aus dem Projekt

Es ist eine anstrengende Arbeit, auf Menschen zuzugehen und für unentgeltliche Arbeit als Dienst an der Gesellschaft zu werben. Immer wieder zu erklären, dass es nicht um kostenlose Arbeit, um die Einsparung von Arbeitsstellen geht, sondern darum, Menschen zu unterstützen, in seiner Freizeit der Gesellschaft etwas zu geben. Diese Arbeit liegt nicht jedem. Spätestens wenn es darum geht, nicht einfach nur auf Veranstaltungen präsent zu sein, sondern eigene Veranstaltungen zu entwickeln, kleine Projekte umzusetzen, zeigt sich das. Deshalb gab es leider einen Personalwechsel. Dies führte dazu, dass das Vertrauen in „die Neue“ erst wieder aufgebaut werden musste. Auch mussten neue Kontakte zu anderen Vereinen und Institutionen wieder neu geknüpft werden.

Insgesamt wurde dieser Wechsel gut bewältigt und das Projekt konnte mit neuen Ideen und neuer Tatkraft fortgesetzt werden.

Ergebnisse sind nur bedingt messbar. So können wir nur die spontanen und direkten Rückmeldungen erfassen. Diese Zahl ist aber allein schon sehr hoch. Weiterhin ist ein Anstieg der an ehrenamtlichen Tätigkeiten interessierten Menschen zu verzeichnen, vor allem auch bei Menschen mit Migrationshintergrund. Es ist nicht zu evaluieren, ob dies direkt oder indirekt mit dem Projekt zusammenhängt. Ein messbares Ergebnis ist aber, wie positiv die Menschen auf die Idee des Projektes reagieren. Einfache, unkomplizierte Informationen und Antworten zu erhalten, ist nicht nur für Menschen mit Migrationshintergrund wichtig, sondern für alle.

Die meisten Erfolge, also direkte Rückmeldungen, gab es bei eigenen kleinen Projekten. Zum Beispiel beim Teeausschank. Dort blieben viele Menschen stehen, es gab viele Gespräche und natürlich dann auch viele Mitmacher. Auch die Besuche in Einrichtungen mit spezieller Klientel waren sehr erfolgreich. So konnten die Angebote im Vorfeld direkt auf die Zielgruppe zugeschnitten werden und die Informationen zielgruppenspezifisch aufbereitet werden. Für den Besuch in den Kindergärten wurden vorrangig Ideen und Einsatzmöglichkeiten im Vormittagsbereich vorgestellt. Dies hatte natürlich größeren Erfolg als eine „Werbestand“ auf dem Marktplatz. Dennoch zeigte sich, dass die Kombination von beiden Methoden erfolgreich ist. Eine Mischung von breit gestreuten Informationen bei verschiedenen Veranstaltungen und zielgruppenangepasste Informationen in Einrichtungen sind wichtig.